Schweizer Präzision

Ralf Dietrich © 2008

Horvaths Hybrid-Serie:
Nullwind-Drachen von HQ


Genial einfach, oder doch einfach genial? Die Drachen des Schweizers Thomas Horvath sind nur schwerlich in irgendeine Kategorie zu pressen. Einleiner? Oder doch Lenkdrachen? Keinesfalls waren sie bis dato Massenware, denn er fertigt seine Collections liebevoll in Zürich per Hand – und das mit der üblichen Schweizer Präzision.

So blieben Horvath-Drachen lange Zeit ein erlesenes Sahnestückchen für einen erlesenen Pilotenkreis. Doch die Zeiten ändern sich, und mit der Hybrid-Serie aus dem Hause Invento kommt nun so etwas wie der „Volks-Horvath“ auf den Markt.

Text: Ralf Dietrich


„Ein Hybrid“ ist dabei die blanke Untertreibung – es sind gleich drei Drachen, die von Thomas entworfen und unter dem Label HQ gefertigt werden: nämlich der Hybrid 130, der 200 und der 240. Allen drei Drachen gemein ist die Form, der Unterschied liegt alleine in der Spannweite. Und über letztere gibt der Name zweifelsfrei Auskunft. Schon beim Auspacken aus der Tasche merkt man, für was dieser Drachen gedacht ist: Indoor-, Nullwind- und Thermikflüge.

Für die Verstabung hat man Kohlefaserrohr verwendet, wobei auch hier auf das Gewicht geachtet wurde.So sind die Flügelstäbe nicht etwa nur gemufft, nein, sie laufen zu ihrem Ende hin mit einem dünneren Stab aus. Aufgespannt wird das ganze Konstrukt durch einen dritten Kohlefaserstab, der, unter Spannung gewölbt, auf der Luv-Seite des Drachens sitzt. Das Segel besteht aus leichtem Icarex und kommt in einer Kombination aus schwarzen und weißen Paneelen daher. Auf dem unteren Paneel wurden zudem Sicherheitshinweise und die Modellbezeichnung aufgedruckt.

Die Stabtaschen bestehen aus stabilerem Spinnaker, die Flatterkante ist mit leichtem Saumband versehen und im Bereich der Nasen- und Schwanzspitze sind kritische Stellen mit leichtem Dacron verstärkt. Sämtliche Nähte wurden mit einer sehr sauberen, dreifachen Zickzacknaht ausgeführt, der Stoffüberschuss im Bereich der zusammengenähten Segelpaneele ist vorbildlich, Kett und Schuss wurden beachtet.

Nullwinddrachen hybrid-240 mit Silber-Print auf dem Segel.
Es waren 3 Drachen erhältlich: Hybrid 130, 200 und 240. Die Zahlen sind die jeweiligen Spannweiten in cm. Siebdruck in Silber auf dem schwarzen Icarex-Panel.

Alles in allem erzielen die Hybride in der Baubewertung eine absolute Topplatzierung. So und nicht anders hat ein Leichtwinddrachen auszusehen, und hätte Thomas Horvath mit seinen synergetischen Drachen nicht schon eine eigene Klasse kreiert, dies hier wäre unser Referenzexemplar für alle Folgemuster.

Wie so oft stellt sich natürlich die Frage, ob sich dieser positive Eindruck auch in der Praxis bewährt. Aufgebaut sind die Hybride am Strand oder auf der Wiese recht schnell. Einfach die Außenstäbe zusammengeschoben und den Spreizstab in Position gesetzt, und schon kann es losgehen. Und bei drei Windstärken stehen die Drachen auch wie angenagelt am Himmel.Aber sollen sie das? Klare Antwort hierauf: Nein! Das ist definitiv die falsche Windgeschwindigkeit für diesen Drachentypus! Spaßig wird es erst bei Null-Wind. Richtig gelesen – bei Flaute. Wo andere Drachen frustriert in der Drachentasche verschwinden, kommt die große Stunde der Horvaths.

Eine wichtige Voraussetzung sei an dieser Stelle gleich genannt: Nicht nur Drachen und Drachenflieger müssen eine Einheit bilden, auch die Wahl der richtigen Flugschnur ist eminent wichtig. Unsere gute Einleiner-Allzweckwaffe – die DacronSchnur – lassen wir mal lieber in der Tasche. Zum Einsatz kommen sollten dagegen leichte, dehnungsarme Spectra-Schnüre (Dyneema in Europa), da nur hiermit präzise Kontrolle über den Drachen ausgeübt werden kann.Und just dies ist es, was den Hybrid so faszinierend macht – er ist ein Einleiner, doch gleichzeitig auch ein Lenkdrachen! Der Drachen ist schnell auf Höhe gebracht, sei es durch einen Hand- oder einen Hochstart. Hier angekommen, heißt es zunächst, den Hybrid beobachten, denn ohne Wind fängt er garantiert bald mit irgendeiner Bewegung an.

Und richtig! Die Nase bewegt sich ein wenig vom Piloten weg, sanfter Zug auf der Leine – der Drachen bewegt sich schräg zum Piloten. Jetzt ein kurzer, knackiger Impuls – der Drachen fängt an, sich um seine eigene Achse zu drehen. Flatspins nennen das wohl die Kollegen von der Zappeldrachen-Fraktion – aber hallo! Das macht ja richtig Spaß! Warten, bis die Nase vom Piloten weg zeigt, die Schnur kurz angebremst und gleich wieder lösen – der Drachen beginnt zu segeln. Und das nicht etwa mit einem fürchterlichen Gleitwinkel, nein, der Hybrid gleitet und gleitet und gleitet.Jetzt macht es plötzlich Sinn, wenn auf der Spule 200 Meter und mehr drauf sind. Am Ende die Schnur kurz einbremsen, Impuls geben – der Drachen richtet sich auf, Schnur einholen und wupps – der Hybrid schießt steil in den Himmel. Mann, warum hat nicht jemand so etwas Geniales schon viel früher erfunden!

Ach doch, ja – das hat ja schon jemand. Thomas Horvath fertigt in seiner Drachenschmiede custom made Drachen, wie beispielsweise den Long Way Home, an. Auf der Drachenwiese wurden wir oft nach den Unterschieden zwischen Long Way Home und Hybrid gefragt, doch so einfach ist die Frage nicht zu beantworten.Der Long Way Home ist viel aufwändiger gefertigt, hier ist die Rede von einem Spitzenprodukt zu einem Spitzenpreis. Der Hybrid ist ebenfalls ein Spitzenprodukt, jedoch mussten im Hinblick auf einen allgemeinverträglichen Preis gewisse Abstriche beim Aufbau in Kauf genommen werden. So hat das Segel eine etwas ökonomischere Form, die Bestabung ist nicht bis in den letzten Winkel gewichtsoptimiert und auch auf Details, wie unterschiedliche Stabtaschen, wurde beim Hybrid verzichtet.

Der Hybrid ist also nicht so hochgezüchtet, was durchaus seine Vorteile hat. Er ist dadurch nämlich auch nicht so abhängig von einer optimalen Trimmung und verzeiht Anfängerfehler vortrefflich. In der Tat haben wir bei unseren Tests des 200 und 240 zu keinem Zeitpunkt die Waageneinstellungen verändern müssen.Einziger Unterschied zwischen den beiden Drachen: der 200 scheint ein wenig agiler zu sein als sein großer Bruder, während dieser eher majestätisch seine Runden zieht. Bei absolutem Null-Wind war der 240 unser klarer Liebling, während wir bei einer Windstärke dann lieber den 200 aus der Tasche holten.

Und noch ein Punkt soll an dieser Stelle angesprochen werden: Einige zeigten sich wenig begeistert von den auf dem Segel aufgedruckten Sicherheitshinweisen. Nun ist dies sicherlich eine Geschmacksfrage und vom Entwickler des Drachens so gewollt. So ganz verstehen können wir die Aufregung indes nicht, denn zum einen sieht man die Hinweise nicht mehr, wenn der Drachen am Himmel steht, zum anderen gab es in der deutschen Geschichte bereits einen Drachen, bei dem ganz bewusst Aufbau und Sicherheitshinweise auf das Segel gedruckt wurden. Die Rede ist vom guten, alten Roloplan, dem ohne solch einen Hinweis wohl etwas fehlen würde.

Also, egal ob mit Aufdruck auf dem Segel oder ohne – ran an den Hybrid! Die Zeiten, in denen Drachenflieger bei Flaute frustriert Däumchen drehten, sind definitiv vorbei. Mit dem Hybrid der Horvath-Collection ist ein Drachen auf dem Markt, der seinesgleichen sucht. Super in der Verarbeitung, preislich interessant und in der Luft einen Spaßfaktor mit Suchtpotenzial bietend.

So möchten wir am den geistigen Vater des Hybrids, Thomas Horvath, zu Wort kommen lassen. Auf die Frage, was er den Piloten seiner Drachen mit auf den Weg geben möchte, hat er geantwortet: „Horvath Drachen sind Autoren-Drachen, sie haben viel Persönliches eingebaut: im Konzept, der Umsetzung und für den Anwender primär in der Flugcharakteristik. Man muss sich auf sie einstellen, ausloten, was möglich ist, und ein gewisses Engagement einige Zeit durchziehen, um dann durch Thermikflüge, steigende Flatspins und eleganten Flug belohnt zu werden.“ Dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen.


Der Artikel erschien im Fachmagazin "kite and friends" 5 | 2008, Ralf Dietrich ist ein international tätiger Dachenexperte, Autor und Gründungsmitglied des Drachenfestes Fanö.

Die drei Nullwind-Drachen Hybrid 130, 200, 240 werden heute nicht mehr hergestellt, sie waren wegen des mehrstufigen Vertriebs für den Massenmarkt knapp zu teuer. Trotzdem wurden weltweit sehr viele davon verkauft. Einige wenige meinen: die Panels zeigen ein H.